Analphabetismus in Deutschland

Let’s talk about illiteracy, baby!

Analphabetismus? Das ist für viele nur schwer vorstellbar. Lesen und Schreiben kann man schließlich in Grundzügen schon in der dritten Klasse. Und wenn man sich so in seinem Umfeld umschaut, sieht man sich oft darin bestätigt, dass Analphabetismus in Deutschland schon kein so großes Ding sein kann. Nun ja – falsch gedacht. Denn fast jeder siebte Erwachsene lebt mit funktionalem Analphabetismus.

Was?!

Ja, genau. Doch es ist nicht so, dass Analphabet*innen alle komplett gar nicht, null, niente lesen können. Als funktionale Analphabet*innen werden Leute beschrieben, die Lesen und Schreiben zwar gelernt haben und es auch anwenden können, von längeren Texten aber schlichtweg überfordert sind. Sie können oft nur einzelne Wörter oder kurze Sätze lesen oder schreiben und haben schon bei kurzen, zusammenhängenden Texten Probleme mit dem Textverständnis. So sind zum Beispiel viele Migrant*innen von zusammenhängenden Texten in deutscher Sprache überfordern, doch auch über 7 % aller Deutsch-Muttersprachler*innen haben große Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben. Damit können sie den Ansprüchen der Gesellschaft oft nicht oder nur ungenügend gerecht werden.

Sekundäre Analphabet*innen haben im Kindesalter Lesen und Schreiben gelernt, es jedoch als Jugendliche oder Erwachsene wieder vergessen oder verlernt, während primäre Analphabet*innen es nie gelernt haben.

Wie kann das sein?

Jeder hat ein Recht auf Bildung, inwieweit dieses allerdings wahrgenommen werden kann und darf ist die andere Sache. In den Entwicklungs- und Schwellenländern ist die Rate für Analphabetismus noch mal bedeutend höher.
Weltweit gibt es ca. 750 Millionen Analphabet*innen, von denen etwa zwei Drittel Frauen sind. Nur ein geringer Bruchteil dieser Menschen kommen aus Europa. Und dennoch leben in Deutschland – einem hochentwickelten Industrieland mit dem Recht und der Pflicht auf Bildung – 6,2 Millionen funktionale Analphabet*innen.

Gründe für Analphabetismus sind vielseitig. Armut ist jedoch einer der Hauptgründe, doch auch eine schlechte Bildungspolitik oder persönliche Ängste spielen eine Rolle. Weltweit trägt vor allem auch Geschlechterdiskriminierung seinen Teil zu dem Problem bei, da in vielen Ländern jungen Frauen der Zugang zu Bildung verweigert wird.

Was kann man dagegen tun?

Analphabetismus darf kein Tabu mehr sein. Die wenigsten Analphabet*innen haben sich „geoutet“, denn oft treffen sie nur auf Unverständnis und Vorurteile. Analphabetismus muss mehr thematisiert werden, statt nur die Symptome zu behandeln. Zwar gibt es im Berufsleben kaum Diskriminierung von Analphabet*innen, da sie oftmals Arbeit im Niedriglohnsektor mit niedrigen literalen Anforderungen finden, doch durch stillschweigende Akzeptanz wird das Problem nicht in den gesellschaftlichen Vordergrund gerückt. Zudem vergrößert sich damit das soziale Ungleichgewicht noch weiter.

Weiterhin gibt es das Konzept der leichten und der einfachen Sprache. So wird Menschen mit Schwierigkeiten beim Textverständnis dabei geholfen, auch kompliziertes „Amtsdeutsch“ zu begreifen. Leichte Sprache rückt gerade in der Politik mehr in den Fokus, doch es gibt deutlich mehr Barrieren, die noch abzubauen sind. So ist beispielsweise lebenslanges Lernen für alle Menschen wichtig. Gerade für benachteiligte Menschen muss es daher mehr Angebote geben, wie zum Beispiel Klassiker in einfacher Sprache. Also lasst uns darüber reden und Bewusstsein schaffen.

Alphabetisierungsrate der erwachsenen Bevölkerung (15 Jahre und älter) nach Ländern. (© UNESCO eAtlas of Literacy, abgerufen am 14.07.2020, Montreal: UNESCO Institute for Statistics, abrufbar unter https://tellmaps.com/uis/literacy/#!/tellmap/-1003531175)

Autorin: Pauline Braune
Bildquelle oben: pixaby.com

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