Das Damengambit – Von Königen, Bauern und der Sucht zu gewinnen

Ich bin kein Serienfan. Heutzutage ein seltenes Phänomen, ich weiß. Die einzige Serie, die ich wirklich gerne schaue, ist Türkisch für Anfänger. Produktionen wie Haus des Geldes, Riverdale oder gar Bridgerton, die Ende 2020 wohl den Hype des Jahrhunderts ausgelöst hat, sind in der Vergangenheit absolut an mir vorbeigegangen. Umso erstaunlicher, dass ich die von Netflix produzierte Mini-Serie Das Damengambit umgehend noch einmal angefangen habe, kaum dass der Abspann der letzten Folge über den Bildschirm flimmerte. Eine Hommage an eine Serie, die gleichermaßen erfrischend außergewöhnlich und inspirierend ist.

Eröffnung – der Plot

Kentucky, 1950er Jahre. Die 9-jährige Beth Harmon wird nach einem tragischen Autounfall, bei dem ihre Mutter ums Leben gekommen ist, in ein Waisenhaus gebracht. Eines Tages geht sie in den Keller des Schulhauses und trifft dort auf den Schuldiener, Mr. Shaibel, der einsam Schach spielt. Sofort zeigt sie Interesse am Spiel der Könige und überredet den verschrobenen Schuldiener dazu, es ihr beizubringen. Schon bald bemerkt er ihr außergewöhnliches Talent und fordert sie immer wieder heraus. Mit 13 Jahren schließlich wird Beth von einem Ehepaar adoptiert. Eine facettenreiche Beziehung entsteht zwischen ihr und ihrer psychisch labilen Adoptivmutter Alma. Beth entschließt sich, an Schachturnieren teilzunehmen und ihre Reise beginnt.

Mittelspiel – Ein feministisches Narrativ und brillante Charaktere

Die Handlung von „Das Damengambit“ ist in den 1950er Jahren angesiedelt, noch dazu in einer absoluten Männerdomäne: Dem Schachspiel. Die Zuschauer*innen verfolgen mit klopfendem Herzen wie das stille, verschlossene Mädchen sich unbeirrt bis an die Spitze aller Schachspieler kämpft, um am Ende dem Weltmeister Vasily Borgov gegenüberzusitzen. Dabei überwindet sie jegliche Hindernisse, die sie von ihrem Traum abbringen könnten. Das tut sie mit einer Selbstverständlichkeit, die inspiriert. In einer von Männern dominierten Welt wird eine junge Frau über Nacht zum Star und gleichzeitig zum gefürchteten Endgegner für alle, die sich ihrer selbst in der Vergangenheit etwas zu sicher gewesen sind.

Man glaubt, Beth Harmon kann alles schaffen, was sie sich vornimmt. Doch so inspirierend die Protagonistin auch ist, so überraschend kontrovers ist ihr Charakter. Sie scheint stetig zwischen Selbstzweifel und Entschlossenheit zu schwanken, nach außen ist sie die anmutige junge Frau und innerlich ihrer Tablettensucht verfallen. So erfolgreich sie auch sein mag, so wenig kann sie mit ihren eigenen Niederlagen umgehen. Sie ist geradezu süchtig danach zu gewinnen. Selten hat mich ein fiktiver Charakter in seiner Umtriebigkeit so beschäftigt. Nicht zu verachten ist auch das Setting, das die Netflix-Produktion absolut authentisch erscheinen lässt. Mit viel Liebe zum Detail entsteht die groteske Welt der amerikanischen Kleinstädte in den 1950er Jahren: Geblümte Tapeten, fransige Lampenschirme, stylische Oldtimer und elegante Kleider sorgen für einen Retro-Look, der immer einen Tick zu düster erscheint.

Schach matt

Das Thema mag für einige vielleicht abschreckend und furchtbar langweilig klingen, doch „Das Damengambit“ ist keineswegs nur eine Serie für bebrillte Schach-Nerds. Es ist eine Serie mit viel Herz und Authentizität, mit viel Licht und viel Schatten, mit vielen Siegen und Niederlagen. Mein Urteil: Schach matt für alle anderen Serien, die dieses Jahr noch eine Eröffnung wagen werden.

Autorin: Nikola Kraa
Bildquelle: pexels.com

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