Der Bär und die Nachtigall – Ein Wintermärchen von Katherine Arden

Der Winter naht

Der Übergang vom goldbraunen Herbst in das Eisblau des Winters ist fließend – vor allem, sobald der November mit der ersten beißenden Brise einkehrt. Von einem Tag auf den nächsten verschwinden auch die letzten Kürbisse von den Fenstern und den Veranden, während sich in den Einkaufsläden plötzlich überall Weihnachtsmänner in den Regalen tummeln. Auch die Lichterketten erhellen mit einem Mal die immer kälter werdenden Nächte, der Frost schleicht sich die Scheiben unserer Fenster hinauf und vielleicht, ganz vielleicht, erhaschen wir sogar schon den ersten Duft von Schnee und Träumen im Wind.

Der Bär im Wald und ein Mädchen im Schnee

Auch für Wasya und ihre Familie ist der Winter ein alter Bekannter. Jedes Jahr zieht er, vom Winterkönig Morozko gerufen, viele Monate lang durch den Norden Russlands und vergräbt ihr Dorf unter einer dicken Schicht aus Schnee und Eis. Es ist ein Ort, an dem das Leben hart und unbarmherzig ist und wo die Welt der jungen Wasya durchwoben ist von den Märchen der Dienerin Dunja. Anders als ihre Geschwister jedoch, versteht Wasya, dass mehr dahinter steckt, als nur ein paar harmlose Geschichten von Zauberei, Mythen und lang vergessenen Göttern. Denn sie sieht noch die Geister, die ihr Haus und ihre Pferde hüten und in den Bächen und Bäumen des Waldes lauern und somit ist sie auch die einzige, die ihre Angst bemerkt, als sich eine uralte Magie beginnt im Wald zu regen …

Feministisch, wild und verwunschen

Wenn es ein Buch gibt, dass mich selbst am heißesten Sommertag zum Frösteln bringen kann, dann ist es dieses hier. Wunderbar bildhaft schafft es Katherine Arden, mit ihren Worten einen Winter heraufzubeschwören, der nur so strotzt vor dunkler Zauberei. Die Winternacht-Trilogie ist eine berauschende Mischung aus feministischer Literatur, Fantasy inspiriert von slawischer Mythologie und russischen Sagen, sowie slow-burn Romance, eingebettet in wahre historische Ereignisse. Es ist das perfekte Buch für einen Winterabend vor dem Kamin, mit einer heißen Tasse Tee in der Hand und einer Decke um die Schultern, um die schneidende Kälte zu vertreiben, die zwischen den Seiten des Buches hervorzukriechen scheint wie der jaulende Nachtwind, der sich im Dezember durch die Ritzen der Häuser stiehlt.

Autorin: Jolyn Stenschke
Bildquelle: Produktfotos von penguinrandomhouse/HEYNE

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