„Als Exil bezeichnet man den langfristigen Aufenthalt außerhalb des Heimatlandes, das aufgrund von Verbannung, Ausbürgerung, Verfolgung durch den Staat oder unerträglichen politischen Verhältnissen verlassen wurde“, so steht es im Duden.
Wenn wir heute über Exilliteratur sprechen, denken viele sicherlich an die Bilder des 10. Mai 1933, die auf dem Berliner Opernplatz entstanden sind. Student*innen, Professor*innen und Mitglieder der nationalsozialistischen Partei verbrennen Bücher von Autor*innen, die sich ihrer Ideologie nicht beugen wollen. Die verbrannten Werke waren zuvor auf der „Schwarzen Liste“ erfasst und aus Bibliotheken, Leihbüchereien und Buchhandlungen aussortiert worden. Karl Marx, Heinrich Mann, Erich Maria Remarque, Carl von Ossietzky, Sigmund Freud und Erich Kästner sind nur einige der Namen, die auf den Titelseiten der Bücher standen, die in dieser Nacht in Flammen aufgingen.
Im Deutschunterricht lernen Schüler*innen, dass die Exilliteratur eine abgeschlossene Epoche darstellt, die sich vorrangig auf die Schriftsteller*innen bezieht, die während der Zeit des Nationalsozialismus Zuflucht in der Fremde suchten. Das Phänomen des „Exils“ geht jedoch viel weiter in der Geschichte zurück als wir vielleicht im ersten Moment denken – wie könnte es auch anders sein? Bereits in der Antike suchten Exilliteraten wie Hipponax oder Ovid Zuflucht im Exil aufgrund von Zensur oder gar Verbannung. Auch der italienische Dichter und Philosoph Dante Alighieri verließ im Mittelalter seine Heimat nachdem er als Staatsfeind aus Florenz verbannt und schließlich zum Tode verurteilt wurde.
Deutsche Exilliteratur während des Nationalsozialismus
Ca. 1 500 Autor*innen verließen Deutschland nach der Bücherverbrennung im Jahr 1933. Schon vor der „Machtübernahme“ durch Hitler kursierten Verbotslisten mit „anti-deutscher“ oder „nicht-arischer“ Literatur, auch Kunst und Film standen nun fortan unter strenger Zensur. Die meisten Schriftsteller*innen flüchteten zunächst ins europäische Ausland; etwa nach Österreich, Frankreich oder in die Niederlande. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs reichte das europäische Exil jedoch nicht mehr aus, man ging nach New York, Moskau oder Mexiko, wo nicht selten Verlage gegründet wurden, um deutschsprachige Exilliteratur zu publizieren. Nur eine kleine Gruppe von Autor*innen ging in die innere Emigration. Sie blieben in ihrer Heimat, bewahrten eine oppositionelle Haltung und schrieben vorrangig nicht über Politik.
Ein Phänomen der Vergangenheit?
Im Exil thematisierten Schriftsteller*innen vor allem die Sehnsucht nach ihrer Heimat. Da meist keine Möglichkeit bestand, ihre Werke in deutscher Sprache zu veröffentlichen, mussten zahlreiche Autor*innen um ihre Existenz bangen. Hinzu kamen bürokratische Probleme und die ständige Angst vor Abschiebung. Diese Schicksale erscheinen so fern der eigenen Realität, ist es doch ein beängstigendes Unterfangen, sein zu Hause aufzugeben und in der Fremde ein neues Leben anzufangen. Doch wer heute glaubt, die Exilliteratur würde sich auf die Spanne einer Epoche beschränken, der irrt. Flüchtende Schriftsteller*innen suchen tagtäglich Zuflucht fernab der Heimat und verfallen dort wortwörtlich der Sprachlosigkeit, weil ihnen Kultur und Sprache fremd sind.
Autorin: Nikola Kraa
Bildquelle: pexels
Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe unseres Magazins, hier kannst du noch mehr lesen.