Freiheit für alle – oder keine

Freiheit, ist ein Wort, welches vermutlich durchwegs von Menschen unterschiedlichsten Meinungen und Einstellungen positiv aufgefasst und benutzt wird, dementsprechend darf es auch in keiner Beschreibung einer Utopie fehlen. Und wenn man einmal darauf achtet, findet man das Wort Freiheit in jeglichen politischen Gruppen und Bewegungen. Selbst sich konträr gegenüberstehende Ansichten werden von den jeweils eigenen Anhänger:innen als freiheitlich beschrieben und die der anderen dementsprechend als freiheitswidrig. Doch warum eigentlich und was könnte diese Freiheit bedeuten?

Der Autor und anarchistische Aktivist Erich Mühsam versucht sich dieser Frage in seinem Vortrag „Die Freiheit als Gesellschaftliches Prinzip“ anzunähern. Er sieht die Sehnsucht nach Freiheit als ein Teil der menschlichen Natur und damit als Grundvoraussetzung für jegliche Veränderung. So spricht er in seinem Vortrag: „Es gibt keine Bewegung, hat nie eine gegeben und kann keine geben, die erfolgreich um Anhang für sich werben könnte, wenn nicht auf ihrer Standarte das Bekenntnis zur Freiheit beschworen ist.”

Doch wenn man beachtet, wie viele Gruppen sich jeweils um Freiheit bemühen, wird klar, dass es schwierig ist, eine einheitliche Definition dieser abzuleiten. Stattdessen wird dieses Streben oft instrumentalisiert, um die eigenen Ziele zu rechtfertigen und Machtverhältnisse im Sinne bestimmter Gruppen zu zementieren.  Mühsam spricht davon, dass das Streben nach Freiheit seinen Ausgang aus der Unerträglichkeit der vorhandenen Zustände nimmt. Und dass der Mensch sich dadurch oft neue Unfreiheit auftragen lässt, wenn nur versprochen wird, die alten Zustände zu zerschlagen, da man zuallererst und am stärksten die bereits vorhandene Qual empfindet.

Aktiv zu handeln

Für Mühsam ist es jedoch wichtig, nicht nur alte Zustände abzulegen, sondern aktiv eine Gesellschaft zu schaffen, in der die universelle Freiheit aller den Mittelpunkt darstellt. Der Mensch solle also in seiner größtmöglichen Auslebung seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten leben. Also in „Selbstbestimmung und Selbstverantwortung”. Gleichzeitig sei er jedoch auf die Arbeit angewiesen, welche von anderen geleistet wird, um zu überleben „und zwar jeder auf die Arbeit aller, alle auf die Arbeit eines jeden”. Dementsprechend müsse beides durch ein solidarisches Miteinander in Einklang existieren, damit eine Gesellschaft frei sei. Die Freiheit sei kollektiv und darf nicht einzelnen vorbehalten sein.

Wo Macht herrscht, endet die Freiheit

Um dies zu erreichen, hält Mühsam weder den Staat in Form des Liberalismus noch in einer Form des Staatssozialismus für geeignet. Er kritisiert die wirtschaftliche Freiheit im Liberalismus, da sie vor allem den Reichen und großen Unternehmer:innen zugutekomme und auf Kosten der Arbeiter:innen gehe, indem sie die Macht ungleich verteilt und bei wenigen konzentriert. Gleichzeitig sieht er im Staatssozialismus die individuelle Freiheit eingeschränkt. Darum hält er keines der Systeme für geeignet, seinem Verständnis von gesellschaftlicher Freiheit gerecht zu werden.

Diese Freiheit ist für ihn unvereinbar mit dem „Vorhandensein von Herrschergewalt irgendwelcher Art, sei es in Form wirtschaftlicher Vormacht, sei es in Form politischer Obrigkeit oder sonstwelchen Privilegien […] und eine Freiheit, welche sowohl dem Individuum seine Unabhängigkeit als der Gesamtheit ihre Entfaltungsmöglichkeiten läßt, kann nicht bestehen, wo verhängte Dienstpflicht, Autorität, Regierung und Staat besteht.”. 

Aufgrund seiner politischen Überzeugungen und Aktivitäten wurde Erich Mühsam früh von den Nationalsozialisten verfolgt, festgenommen und gefoltert. 1934 wurde er im Konzentrationslager Oranienburg ermordet.

Autor: Elias Graebner
Bild: freepik

Beitrag erstellt 203

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.

Zurück nach oben

Accessibility Toolbar