„Ich hasse Menschen“ ‒ Von Zugfahrten und Gedankensprüngen

Eine Zugfahrt, die ist lustig, eine Zugfahrt, die ist schön.
Zumindest wenn man allein in seinem Abteil sitzt und sich nicht von anderen Fahrgästen nerven lassen muss. Dieses Glück ist dem Leipziger Autor, Liedermacher und Moderator Julius Fischer leider nicht vergönnt. In „Ich hasse Menschen. Eine Abschweifung“ begleitet der Leser Fischer und seine wild umherwirbelnden Gedanken bei einer Zugfahrt nach Köln.

Bei diesem Buch ist der Name Programm, denn seinen Mitmenschen kann der Protagonist nur Hass entgegenbringen und von einer störenden Person schweifen seine Gedanken zu einer ganz anderen Begebenheit, die nur im Entferntesten etwas mit dem aktuellen Geschehen im Zug zu tun hat. Die Erzählung springt fröhlich vom „Möhrenmann“ zu der Problematik, dass man sich ganz schnell in kleinen Lügen verstrickt, zu einer Zugfahrt mit Freunden und weiter zu Überlegungen rund um Höflichkeiten bei Begrüßungen und der Frage, warum man im Internet nicht auch höflich „Guten Tag“ sagt.

Dieses Hin und Her zwischen kleinen Anekdoten, philosophischen Überlegungen, sarkastisch bis zynischen Gedanken zu den Mitreisenden und der Welt im allgemeinen und dem immer wiederkehrenden Satzanfang „Ich hasse…“ fordert beim Lesen eine gewisse Konzentration, doch es lohnt sich.

Denn wer regelmäßig Bahn fährt, dem sind Fischers Mitfahrer vertraut. Menschen, die laut und geruchsintensiv essen, Familien mit extrem vielen Kindern, verpeilte Rentnergruppen und überdrehte junge Frauen mit dem Hang all ihren Freunden mittels Smartphone von ihrer aktuellen Situation zu berichten. Nervig!

Aber auch außerhalb des Zuges trifft Fischer auf ein paar liebenswürdige und/ oder schräge Gestalten. Da wären Fischers Familie, seine Freunde und sein Kater, die Peggy vom Poetry-Slam, die Blümchengedichte schreibt, der alte Schulfreund Enrico, der ein Dynamo-Dresden Ultra ist, die Grundschulklasse einer befreundeten Lehrerin im Problembezirk, Möbelpacker, Verschwörungstheoretiker, übereifrige weil gelangweilte Polizisten und viele mehr.

Mit oder über diese Menschen denkt Fischer nach. Dabei kann er sich über die Banalität von Popmusik und den letzten Kinobesuch auslassen, über Pegida und besorgte Bürger philosophieren, vom letzten Urlaub berichten oder sein jüngeres Ich auf einen Mitreisenden projizieren.

Obwohl der Titel zunächst abschreckend wirken kann, handelt es sich bei „Ich hasse Menschen“ um ein lustiges und kurzweiliges Buch mit Figuren, die man so oder so ähnlich auch selbst schon im echten Leben beobachten konnte.

Eine kleine Empfehlung zum Schluss: Wer gern ein wenig Irritation hervorrufen möchte, dem sei die Lektüre während einer Fahrt mit Bus und Bahn ans Herz gelegt, denn verwirrte, skeptische und befremdete Blicke der Mitfahrenden sind aufgrund des Titels garantiert.

Autorin und Bildquelle: Hedwig Walter

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