Vor mir liegt ein See idyllisch umrahmt von Bergen. Kristallklares Wasser funkelt in der Sonne, Boote schaukeln in den leichten Wellen. Zu meiner rechten posiert ein Paar, um das perfekte Bild zu erhaschen. Zu meiner linken sehe ich Müll, der einfach liegen gelassen wurde. Und hinter mir stehen noch mindestens 100 weitere Menschen mit gezückten Handys, die gerade darum kämpfen, wer als Nächstes von ganz vorn ein Foto machen darf. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Schließlich bin auch ich durch Instagram verleitet hier hergekommen, um ein Bild für meinen Feed zu machen.
Eine solche Szene zu erleben ist nicht schwer. Durch die Plattform Instagram werden immer mehr Orte zu Touristen-Hotspots. Unter den verschiedensten Hashtags werden auf der Plattform tausende Urlaubsbilder geteilt, die von anderen User:innen als Reiseinspiration genutzt werden. Laut einer Studie der GfK lassen sich 64 Prozent der 20- bis 34-Jährigen von Posts auf Instagram in ihrer Reiseplanung beeinflussen. Das Problem an den Bildern ist allerdings, dass sie nicht selten so bearbeitet werden, dass sie menschenleer sind und besonders idyllisch erscheinen. In der Realität kann es dann ziemlich ernüchternd sein, wenn sich der so ruhige und schön anmutende Ort als Touristenmagnet entpuppt.
Folgen des Instagram-Tourismus
Ruhige, geheime Orte werden zu Hotspots, überlaufen von Tourist:innen aus aller Welt. Die Schönheit des Reisens und des eigenständigen Erkundens neuer Orte kann dabei verloren gehen. Für viele Tourist:innen steht an erster Stelle das Foto für Instagram. Ist das gemacht, kann es auch schon zum nächsten Foto-Spot gehen. Die umliegende Gegend wird teilweise gar nicht richtig entdeckt. Im Fokus steht die „Instagramability“. Das heißt: Wie gut sind Inhalte geeignet, um sie auf Instagram zu teilen?
Das hohe Aufkommen von vorwiegend Tagestourist:innen kann die Orte und ihre Anwohner:innen vor Herausforderungen stellen. Beispielsweise zeigt sich der Pragser Wildsee in den italienischen Alpen auf Instagram mit türkisblauem, kristallklarem Wasser, weit und breit keine Menschen. Tatsächlich ist er seit mehreren Jahren stark überlaufen. Es gibt lange Staus, wild parkende Fahrzeuge und Tourist:innen, die Müll in der Natur hinterlassen.
Die durch die Serie „Game of Thrones“ bekanntgewordene kroatische Hafenstadt Dubrovnik zieht täglich tausende Tourist:innen an, die sich durch die Altstadt drängen. Direkt im Stadtzentrum wohnen nur noch wenige Einheimische. Viele haben aufgrund steigender Mietpreise die Innenstadt verlassen oder vermieten ihre Wohnungen stattdessen an Urlauber. Auch der Lärmpegel mindert die Lebensqualität der Anwohner:innen. Um die Stadt etwas zu entlasten, dürfen nur noch zwei Kreuzfahrtschiffe pro Tag anlegen. Außerdem empfiehlt die Stadt auf Rollkoffer zu verzichten, um den Lärm durch das Ziehen der Koffer auf dem Kopfsteinpflaster zu verringern.
Der Massentourismus kann auch die Natur schädigen und Tiere in ihrem Lebensraum stören, weil sich Tourist:innen nicht an Wege und Absperrungen halten. Am Königsbach-Wasserfall im Nationalpark Berchtesgaden in Bayern gibt es Wasserbecken, die als „Natural Infinity-Pools“ auf Instagram viral gegangen sind. Mittlerweile musste der Nationalpark aber Konsequenzen ziehen und ihn absperren lassen, weil sich Tourist:innen zu oft nicht an die Regeln des Nationalparksgehalten haben.
Was kann getan werden
Komplett auf das Posten von Urlaubsfotos soll niemand verzichten. Trotzdem können User:innen etwas tun, um (noch) unbekannte Orte zu schützen.
Zum Beispiel sollte der Geotag nicht detailgenau gesetzt werden. Straßennamen, Koordinaten oder ähnliches müssen nicht geteilt werden. So kann vermieden werden, dass allein ein einzelner Spot besucht wird, da viele User:innen Standorthinweise zum Nachreisen nutzen. Stattdessen genügt es auch, nur den Namen der besuchten Region zu teilen, um grobe Anhaltspunkte zu geben.
Es ist außerdem problematisch, dass Reisefotos auf Instagram immer den Anschein erwecken perfekt zu sein. Kaum andere Menschen auf den Bildern und strahlende Farben beeinflussen unsere Wahrnehmung und die Erwartung, die wir mit den Orten verbinden. Die Enttäuschung ist dann groß, wenn wir nicht die einzigen sind, die dann tatsächlich an diesen Ort reisen. Für mehr Realität auf Instagram dürfen Reisefotos also auch gern veröffentlicht werden, ohne ein Bildbearbeitungsprogramm durchlaufen zu haben.
Take away
Sich von Instagram inspirieren zu lassen oder selbst an virale Orte zu reisen, weil der Ort verlockend schön aussieht, ist nicht verwerflich, sondern im Gegenteil komplett nachvollziehbar. Es spricht nichts dagegen, solange man sich selbst hinterfragt, ob man wirklich an jeden Ort fahren muss, den man online sieht und sich an die geltenden Regeln vor Ort hält. Immerhin sind wir dort immer nur zu Gast.
Autorin: Theresa Spörl
Bild: unsplash