Kinderbücher als Brücke in die Vergangenheit

Wenn ich mein altes Kinderzimmer bei meinen Eltern betrete, dann fällt mir zuerst das große Bücherregal mit meinen vielen Kinderbüchern auf. Ich habe es nie übers Herz gebracht diese Bücher zu verschenken oder in Kisten auf dem Dachboden zu verstauen. Dafür hängen an diesen Büchern viel zu viele Erinnerungen. Meine halbe Kindheit habe ich damit verbracht heimlich unter der Bettdecke zu lesen und meinen Lieblingscharakteren hinterher zu träumen. Unzählige Helden wie Pippi Langstrumpf, Jim Knopf und Momo haben mich begleitet.

Das abendliche Vorlesen gehört mit zu meinen liebsten Erinnerungen an die Kindheit. Es hat den Tag abgeschlossen und gleichzeitig eine neue Welt eröffnet. Das Lesen ist für Kinder eine der wichtigsten Freizeitbeschäftigungen, da sie dadurch in der Lage sind ihre Fantasie zu entwickeln. Nur so können sie in Welten eintauchen, in denen Tiere sprechen, Zauber wirken und kein Abenteuer unmöglich ist. Das Lesen regt jedoch nicht nur ihre Fantasie an, sondern kann ihnen auch den Alltag und viele komplexe Emotionen auf einfache und verständliche Art erklären. Sie stärken dabei nicht nur ihr Sprachverständnis sondern auch ihr Einfühlungsvermögen.

In der Schulzeit musste man dann „Herr der Diebe“ gegen „Faust“ und „Effie Briest“ eintauschen. Viele Jugendliche haben an diesem Punkt ihre Lust am Lesen verloren und als Erwachsene nur schwer wiedergefunden. In Kinderbüchern war das Leben noch voller Leichtigkeit und Freude. Ein Happy End ist vorprogrammiert und die Helden werden immer als Sieger hervorgehen. Viele wünschen sich – besonders in der momentan schwierigen Lage – zurück in diese einfachere Zeit.

Früher haben wir unsere Augen gerollt, wenn unsere Großeltern davon sprachen, dass früher alles besser war. Sie sprachen von Zeiten, die wir uns nur noch schlecht vorstellen können und nicht unbedingt gegen unsere eigene eintauschen würden. Aber manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich auch daran denke, dass in meiner eigenen Kindheit doch alles ein bisschen leichter und ja, irgendwie auch besser war.
Aber war es das wirklich? Nicht unbedingt, aber die Vergangenheit strahlt immer in helleren und sanfteren Farben als die Gegenwart. Der Blick auf das alte Bücherregal ruft ein starkes Gefühl der Nostalgie hervor.

Aber was ist Nostalgie eigentlich?

Nostalgie ist „eine vom Unbehagen an der Gegenwart ausgelöste, von unbestimmter Sehnsucht erfüllte Gestimmtheit, die sich in der Rückwendung zu einer vergangenen, in der Vorstellung verklärten Zeit äußert“ oder auch ein „krank machendes Heimweh“.
Freud beschrieb Nostalgie als eine Form der Depression, die auftritt, wenn der Mensch den Anforderungen seines Lebens nicht gewachsen ist und der Zukunft entfliehen möchte. Er meint, sie hindere einen daran sich emotional weiterzuentwickeln. Nostalgie scheint also etwas grundlegend Schlechtes zu sein, was es möglichst zu unterdrücken gilt. Also schnell die Kinderbücher in eine Kiste verstauen und in der hintersten Ecke des Dachbodens verstecken. Aber kann das wirklich stimmen?

Anfang der 2000er befassten sich Psychologen erneut wissenschaftlich mit der Nostalgie. Heutzutage wird sie nicht mehr als Krankheit betrachtet. Es ist vielmehr ein Zurückerinnern an positive Erlebnisse und geliebte Menschen, mit dem bittersüßen Wissen, dass die Vergangenheit nicht wiederholt werden kann. Ausgelöst wird sie von Gegenständen, Gerüchen oder Orten, die wir mit besonderen Momenten und Erinnerungen verbinden. Studien ergaben, dass dieses Gefühl tatsächlich positive Folgen für unser Wohlbefinden hat. Nostalgie lässt die Menschen optimistischer in die Zukunft blicken und erkennen, welche Dinge im Leben tatsächlich wichtig sind. Zusätzlich fühlt man sich enger verbunden mit Menschen, die dieselben nostalgischen Erinnerungen teilen.

Alles im Leben wird umso kostbarer mit dem Wissen, dass es einmal enden wird. Ganz besonders die Kindheit. Wer weiß, irgendwann werden wir vielleicht selbst Kinder haben und ihnen unsere alten Lieblingsgeschichten vorlesen, damit sie mit den Charakteren eigene Abenteuer erleben können. Dann war es doch gut, dass wir die große Bücherkiste aus lauter Nostalgie nie weggegeben haben.

Autorin: Lisa Monetha
Bildquelle: pexels.com

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