Palmen, blauer Himmel, sommerliche Temperaturen und das Meer direkt vor der Tür – das war der Grund für unseren Urlaub in Marokko. Wir starteten unsere Rundreise in einem kleinen Surferdorf. Klein ist hierbei die Bezeichnung für eine einzige größere Straße, von der in jede Richtung etwa drei Gassen abgingen. Aber Taghazout hatte diesen gewissen Charme, dem kein*e Urlauber*in widerstehen kann. Männer*Frauen, die Barfuß und mit einem Surfbrett unter dem Arm die Straße überqueren, Restaurants, die so nah am Meer liegen, dass man auf dem Strand hätte spucken können. Traditionelles Essen in dampfenden Tonschalen. Winzige Katzen, die einem um die Beine streunen. Taghazout versprach nichts Geringeres als eine wunderschöne Reise durch dieses fremde Land.
„Life is good because life is good“
Vollgetankt mit positiver Energie und Sprit für umgerechnet 90 Cent pro Liter, fuhren wir knapp sieben Stunden in die marokkanische Hauptstadt Rabat. Unser Mindset galt ganz dem Motto unseres Vermieters: “Life is good because life is good”.
Wir fanden einen richtigen Supermarkt, auch wenn dieser gerade aktiv umgebaut wurde, und kauften für unser Abendessen ein. Die Wahl fiel hierbei auf Nudeln, Pesto, Feta, Tomaten und Zwiebeln. Das Essen schmeckte fantastisch.
Die Hygienestandards in Marokko gleichen denen des Mittelalters, dennoch aßen wir unser Gemüse ohne es vorher gründlich abgekocht oder geschält zu haben. Die Abrechnung dafür kam in der folgenden Nacht, auf einmal war das Life nicht mehr so good. Es folgte ein Tag, geprägt durch Geräusche, die dem einer Wolfsrudel glichen, welches auf Nahrungssuche ist.
Hier unser erster Reisetipp an euch: Wascht das Gemüse mit gekauftem Wasser und befolgt die Regel: Wash it, peel it, cook it or leave it.
Nachdem unserer Mägen leer waren, stand eine Sightseeingtour abseits der Tourismuspfade auf dem Programm. Unser Fokus lag darauf, eine offene Apotheke zu finden, vergebens zum Samstag. Einheimische nach dem Weg zu fragen ging nicht, da diese primär arabisch und französisch sprechen und wir uns mit Bauchkrämpfen und schlechter Laune, nicht mit Sprachbarrieren und Flirtversuchen via Blickkontakt rumschlagen wollten. Rabat war ein Großstadtflair der ganz neuen Art. Nach zwei Tagen hatten wir den schlimmsten Teil überlebt und es ging weiter auf wilde Fahrt.
Dennoch können wir nun folgendes sagen: Wir haben eine Lebensmittelvergiftung ohne jegliche Medikamente überlebt, in einem Land, in dem das Gesundheitssystem ein ganz großes Update braucht. Immer getreu dem Motto „Life is good because life is good“, zumindest meistens.
Geier, Macht und Geld
Unser geliebter Renault brachte uns ins die Berge. Chefchaouen – die blaue Perle – ist ein beeindruckender Anblick, aber darum soll es gerade nicht gehen. Es geht an dieser Stelle um unsere Nerven, die aufs Äußerste strapaziert wurden. Und das haben wir in erster Linie den Menschen zu verdanken. Angefangen mit einer gespielten Freundlichkeit, die stets als Mittel zum Zweck eingesetzt wird. Der Zweck ist hierbei mehr als simpel: Geld. Sei es die Information, wo sich das nächste Restaurant befindet oder das Einweisen in eine Parklücke, die angeblich Eigentum der selbsternannten, Warnwesten tragenden Hüter*innen der Straße sind. Alles hat seinen Preis. Doch damit nicht genug. Als Frau scheint man in Marokko generell kein selbständig denkendes Wesen zu sein. Und wenn man sich zudem auch noch erdreistet, ohne Kopftuch und mit einem kurzen T-Shirt über die Märkte zu schlendern, hört der Spaß ganz auf. Diese Erfahrung mussten wir am häufigsten in Fez machen. Das Bild der Großstadt ist von Männern geprägt. Noch nie zuvor hatten wir so viel ungewollten Kontakt mit Menschen, die uns doch eigentlich völlig fremd sind. Andauernd wird man angesprochen. Simple Sätze wie „How are you?“ sind noch zu verkraften. Aber auch das wird nach dem zwanzigsten Mal hören zur Strapaze und wenn man dann nur noch anzügliche Blicke und ein hohles „Nice!“ hinterhergeschmissen bekommt, würde man seinem Ärger liebend gerne Luft machen. Die Tatsache, dass die meisten dieser Männer nicht einmal eine Antwort auf ihre Sprüche erwarteten, machte die ganze Situation für uns noch unbegreiflicher. Der Höhepunkt unseres Aufenthaltes in Fez war jedoch eine Frau, die neben einem Geldautomaten bettelte. Wobei betteln hier kein Ausdruck ist. Als sie merkte, dass sie mit flehenden Blicken keinen Erflog hatte, wurde sie handgreiflich. Wir haben uns sehr oft gefragt, was die Marokkaner*innen dazu bewegt, ein solches Verhalten an den Tag zu legen. Ist es einfach „normal“ in dieser Kultur? Sind europäische Frauen etwas Unbekanntes und damit begehrenswert? Wissen Händler*innen, dass Tourist*innen bereit sind, viel Geld auszugeben? Und legitimiert dieses Wissen die unerbittliche Erhöhung von Preisen?
Wo bleibt unser Glück?
Wo andere Urlauber*innen ihr Urlaubshighlight sehen, so freuten wir uns, endlich den letzten Stopp des zehntätigen „Urlaubs“ erreicht zu haben. Nach sieben Stunden Fahrt und einem zweistündigen Aufenthalt am Strand, um gute Laune zu tanken, erreichten wir spät am Abend die Touristenhochburg Marrakesh. Das letzte Mal den Warnwesten tragenden Hüter*innen davonlaufen, das letzte Mal fast vom marokkanischen Verkehr überrollt werden, das letzte Mal mit Blicken ausgezogen werden. „Endlich wieder kurze Hosen, bei 30 Grad Sonnenschein“, dachten wir. Auch wenn Marrakesh touristischer ist, fügt man sich als Frau besser und lässt die kurzen Hot Pants im Koffer. In langen Sachen, mit Sonne und Smog, ging es wieder mal auf einen der Märkte, besser bekannt als Souk. Im Gegensatz zu Fez durften wir hier länger als eine Minute in Ruhe schauen, bevor wir von Händler*innen mit Fragen rund um ihre Artikel und unsere Körper bombardiert wurden. Wir fanden einige schöne Mitbringsel, welche wir gut runterhandeln konnten.
Ein zweiter Tipp: Kauft nicht den erstbesten Anhänger, ihr bekommt ihn am nächsten Stand bestimmt günstiger!
Nach dem Souk hatten wir sogar noch so viel gute Laune, um den Garten von Ives Saint Laurent zu besuchen, besser bekannt als „der Instagram-Garten“. Wer selbsternannte Instagram-Models in ihrer natürlichen Umgebung ablichten möchte, ist hier genau richtig. (Schöne Pflanzen kann man dennoch bewundern)
Der letzte Tag war angebrochen! Natürlich hatte unser Flug Verspätung, was schlussendlich der ausschlaggebende Punkt für diverse Nervenzusammenbrüche war. Als wir dann mitten in der Nacht wieder gewohnten Boden unter den Füßen hatten, hätten wir im ersten Moment nicht glücklicher sein können. Wir wollten den ersten Mann der uns begegnete umarmen, wurden jedoch schlichtweg ignoriert- Großartig! Nachdem uns auffiel, dass unsere Schlüssel und Jacken nicht in unserem Auto waren, wo sie eigentlich hätten sein sollen, war die gute Laune wieder verflogen. Es folgte eine Fahrt durch Berlin, wie wir sie unter normalen Umständen in einem Hopp On Hopp Off – Bus mitgemacht hätten. Um vier Uhr morgens schafften wir es dann endlich mit vollständigem Gepäck nach Hause. Nichts war an den folgenden Tagen schöner, als unsere Familie im Arm zu halten, Wasser aus dem Wasserhahn trinken zu können und Klamotten zu wählen, wie man lustig war. Einmal und nie wieder – das ist unser Fazit nach dieser Reise.
Autorinnen: Allegra Wendemuth und Sina Trautmann