Ein Gefühl, das viele kennen: Weltschmerz. Verunsicherung, Hilflosigkeit und Enttäuschung gehören für viele Menschen zum Beifang alltäglichen Nachrichtenkonsums. So entspringen diese Gefühle Privilegien, sich beispielsweise nicht in einem Kriegsgebiet zu befinden und sich in sicherer Umgebung Gedanken zum Zustand der Welt machen zu können. Häufig führen diese Emotionen zu einer düsteren Sicht auf die Zukunft.
Es gibt viele Gründe, betrübt zu sein: politische Entwicklungen, der Klimawandel und daraus resultierende Umweltkatastrophen oder wirtschaftliche Ungewissheit. Angesichts des Leids und der Qualen auf der Welt, unter denen Menschen täglich leiden, politischer Untätigkeit und der Angst um die eigene Zukunft, sind Gefühle der Ohnmacht und Hilflosigkeit keine Seltenheit.
An dieser Stelle kommt der Begriff „Weltschmerz“ ins Spiel. So allgegenwärtig dieser Begriff sein mag, es gibt keine einheitliche Definition.
Der Begriff „Weltschmerz“ existiert nicht erst seit gestern. Bereits der deutsche Schriftsteller Jean Paul prägte diesen während der Epoche der Romantik. Er charakterisierte den Weltschmerz als ein schmerzhaftes Gefühl der Melancholie und Trauer um die Unzulänglichkeit der Welt. Sich hilflos, machtlos und ohnmächtig zu fühlen, woraus auch eine Resignationshaltung entstehen kann, sind typische Merkmale von Weltschmerz: Man ist enttäuscht über den Zustand der Welt, ohne etwas dagegen tun zu können.
Weltschmerz äußert sich vor allem durch intensives Grübeln, das bis zu regelmäßiger Schlaflosigkeit führen kann. Auch eine erhöhte Gereiztheit kann dazugehören. Das Gefühl, „die Welt gehe den Bach herunter“, findet sich im Weltschmerz wieder. Es geht also um die Diskrepanz zwischen der persönlichen Idealvorstellung einer Gesellschaft beziehungsweise der gesamten Welt und der Wahrnehmung der Realität.
Die Ausprägung oder überhaupt das Auftreten von Weltschmerz unterscheidet sich von Person zu Person. Dabei spielen Einflussfaktoren wie die Kultur, Sozialisierung, eigene Erfahrungen, das Alter sowie die Persönlichkeit eine große Rolle. Nicht jeder Mensch empfindet Weltschmerz.
Vom Regen zur Informationsflut: die Rolle der Medien
Ein Blick aufs Smartphone genügt: Push-Up-Benachrichtigungen auf dem Handy, Instagram-Posts von Nachrichtenprofilen, der morgendliche Podcast oder die Nachrichtensendung. Nachrichtenkonsum ist nicht mehr ortsgebunden. Man kann aus einem Meer an Informationsanbietern wählen, die in Echtzeit Bericht erstatten.
Wir werden ständig aus unserer eigenen Realität gerissen oder anders ausgedrückt: Unsere eigene Realität erweitert sich um den Nachrichtenkosmos.
Die heutige Berichterstattung geht Hand in Hand mit der Globalisierung; die Welt wird gefühlt kleiner, Nachrichten von anderen Kontinenten gelangen schneller in den eigenen Newsfeed. Die Erreichbarkeit von Nachrichten entwickelt sich mit neuen Massenkommunikationsmitteln – von Zeitungen, Radios über das Fernsehen bis hin zu Social-Media-Plattformen.
Der Blick auf weit entfernte Krisen ändert sich entsprechend: Sie rücken näher. Einerseits ist das eine positive Entwicklung. Katastrophen, die in weiter Entfernung passieren, sind nicht weniger schlimm als die Probleme im eigenen Land oder auf dem eigenen Kontinent. Der Zugang zu Informationen erlaubt Partizipation.
Jedoch haben wissenschaftliche Studien ergeben, dass ein erhöhter Nachrichtenkonsum das Risiko für psychischen Erkrankungen erhöhen kann.
Damit soll nicht gesagt sein, dass es sich bei Weltschmerz um eine psychische Erkrankung handelt. Es ist normal, ab und zu betrübt zu sein.
Ist Weltschmerz konstruktiv?
Weltschmerz kann in zwei Zeiten gedacht werden: Der Gegenwart und der Zukunft. Die Gegenwart oder nur Berichterstattung darüber sind häufig nur schlecht zu ertragen. Die so typischen Weltschmerz-Gefühle werden hervorgerufen. Doch das Ohnmachtsgefühl, das so markant für den Weltschmerz ist, bezieht sich auf die Zukunft. Man fühlt sich, als würde nichts getan werden, um die Lage für die Zukunft zu verbessern – egal ob die nahe oder ferner liegende Zukunft. Die Frage, ob es überhaupt eine Zukunft gäbe, für die es sich zu kämpfen lohnt, steht oft mit Weltschmerz im Zusammenhang. Das Nachdenken über die Zukunft und Weltschmerz bedingen sich gegenseitig: Die Ohnmacht versperrt die Perspektive, selbst aktiv zu werden.
Im Gegensatz dazu setzt sich die Zukunftsforscherin, Militärexpertin und Politikwissenschaftlerin Florence Gaub mit einem konstruktiven Umgang mit der Zukunft auseinander. Sie durchleuchtet in ihrem Buch „Zukunft. Eine Bedienungsanleitung“ das menschliche Vermögen, sich Gedanken über die Zukunft zu machen und vermittelt die Zukunft als Konzept, das einen gewissen Grad an Gestaltungsfreiheit zulässt. Auch der Mensch als Individuum ist dabei gefragt. Natürlich hat dieser nicht so viel Einfluss wie Regierungen, jedoch kann auch ein einzelner Mensch etwas zur Gestaltung der Zukunft beitragen.
Wie kann ich mit Weltschmerz umgehen?
- Teile dich mit: Wenn du Weltschmerz empfindest, dann bist du damit nicht allein! Sprich mit Freund:innen über deine Gefühle und tausche dich mit anderen aus. So wirst du wahrscheinlich merken, dass es vielen Menschen so geht.
- Werde selbst aktiv: Es gibt unzählige Möglichkeiten, dich zu engagieren! Suche dir Vereine oder Initiativen, die deine Werte vertreten und werde dort aktiv.
- Konsumiere Nachrichten bewusster: Bestimme feste Zeiten in deinem Alltag, an denen du dich über das Weltgeschehen informierst. Dies sollte nicht direkt nach dem Aufstehen oder abends vor dem Einschlafen sein.
Diese Tipps sind selbstverständlich kein Ersatz für professionelle Anlaufstellen. Wenn du das Gefühl hast, Weltschmerz nimmt für dich nicht mehr tragbare Ausmaße an oder schränkt dich in deinem Alltag ein, suche dir professionelle Unterstützung! Es gibt weitgefächerte Hilfsangebote bei Studierendenwerken. Unabhängig von der Tätigkeit, Alter oder sonstigen Faktoren findest du anonym bei der TelefonSeelsorge Gehör. Diese erreichst du jederzeit telefonisch unter 0800 1110111 und 0800 1110222.
Fazit
Weltschmerz sollte keinen konstruktiven Umgang mit der Zukunft verhindern. Die Frage danach, ob es überhaupt eine Zukunft gibt, für die es sich zu kämpfen lohnt, kann dieser Artikel nicht beantworten. Es liegt in der Hand jeder:s Einzelnen, wie man mit dieser Ungewissheit umgeht.
Übrigens: Die nächste Ausgabe unseres Magazins „Leipziger Lerche“ widmet sich der Bedeutung und Funktion von Utopien. Können Utopien als Quelle der Hoffnung angesehen werden und motivieren, für eine lebenswerte Zukunft zu kämpfen? Wer sich dafür interessiert, kann sich schon jetzt auf die nächste Ausgabe im Frühjahr 2025 freuen!
Autorin: Antonia Faupel
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