Kinder, Küche, Kirche 2.0? Der #Tradwives-Trend auf Social Media

Ein perfektes Make-Up, eine tadellose Frisur inklusive hübschem Outfit, dazu eine blitzblanke Küche und immer gut erzogene Kinder. Das ist das Geschäftsmodell der sogenannten #tradwives, die auf TikTok und Instagram Millionen von Views mit Nutzung dieses Hashtags generieren. #tradwives ist dabei die Abkürzung für „traditional wife“, was bedeuten soll, dass die Frau in der Beziehung als Hausfrau und Mutter zuhause bleibt, während der Mann als einziger Verdiener die Familie ernährt.

Wer heutzutage Instagram oder TikTok öffnet, braucht nicht lange, um auf #tradwives zu stoßen. Der Hashtag trendet, allein auf TikTok finden sich 26,6 Tausend Beiträge darunter. Überall sehen wir Frauen, die predigen, wie wichtig es sei, sich morgens früh direkt für den Mann zurechtzumachen. Außerdem bereiten sie Essen zu (am besten „from scratch“), schmeißen den Haushalt und kümmern sich um die Kinder – aber doch bitte so, dass der Mann nichts davon mitbekommt. Der muss sich nach der Arbeit ausruhen, weil er schließlich allein die Familie versorgt. Doch woher kommt es, dass das Frauenbild der letzten Jahrhunderte wieder so viel Zustimmung findet? Eine Rolle rückwärts für den Feminismus; ist es jetzt wieder „in“, sich als Frau Männern unterzuordnen? Wer sind diese Frauen, die sich nichts sehnlicher zu wünschen scheinen, als sich finanziell vollständig abhängig von ihrem Ehemann zu machen und Vollzeit Hausfrau und Mutter zu sein?

Zwischen Sauerteig-Starter, Make-Up und Geldsorgen

Das Geschäftsmodell der „Homemaker“, wie sich einige in der #tradwife-Bubble gerne nennen, ist simpel: Sie filmen sich beim Kochen und Putzen und geben Tipps, wie man eine „traditional wife“ wird. Dazu zählt zum Beispiel, wie das perfekte Brot gelingt, und dass man als gute Hausfrau am besten direkt nach dem Aufstehen den Geschirrspüler ausräumt. Kein Scherz! Die Kurzvideos, die inhaltlich an verstaubte Werbespots aus den 1950er Jahren erinnern, generieren Millionen von Klicks und Likes.

Ein wichtiger Teil des #tradwives-Lifestyles ist dabei, dass der (Ehe-) Mann als einziger arbeiten geht und die Familie versorgt. Dass sich die Frau dabei (insbesondere finanziell) vollkommen abhängig macht, wird als romantisch und Selbstverständlichkeit dargestellt. Sich unterzuordnen und für seinen Mann den Haushalt zu schmeißen ist schließlich die „natürliche“ Rolle der Frau, die sie zu erfüllen hat. Besonders der Aspekt der finanziellen Abhängigkeit kann jedoch gefährliche Folgen für Frauen haben. Wenn sie kein eigenes Einkommen generieren und nicht arbeiten gehen, haben sie im Fall einer Trennung oder Scheidung keinerlei Rücklagen. Insbesondere wenn sie Kinder haben können sie daher schnell in der Altersarmut enden. Deshalb sind viele Frauen an ihren Mann gebunden und stünden bei einer Trennung vor finanziellem Ruin.

Dass „traditional wives“ diesen Lebensstil propagieren ist insbesondere deshalb ironisch, da sie, wenn sie auf Social-Media-Plattformen erfolgreich sind, durch ihre Arbeit als #tradwife-Content-Creatorin durchaus eigenes Geld verdienen. Mit der Romantisierung des Hausfrauen-Daseins beeinflussen diese Influencerinnen allerdings viele junge Frauen und Mädchen, die sich dann tatsächlich von ihrem Geld verdienenden Partner abhängig machen.

Ist das jetzt noch feministisch?

Der Trend der #tradwives scheint genau das Gegenteil von dem zu sein, für was sich feministische Kämpfer:innen und Vorreiter:innen in den letzten Jahrzehnten eingesetzt haben. Endlich scheint sich die Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter in der Gesellschaft langsam zu wandeln, nur um dann durch #tradwife-Content wieder in diese Position gedrängt zu werden. Und doch gibt es einige der Influencerinnen, die sich trotzdem als Feministinnen sehen. Sie sehen es als freie Wahl an, in diese Rolle „zurückzukehren“ und empfinden ihr Leben als selbstbestimmt, da sie sich frei dafür entschieden haben. Oft ist diese Entscheidung begründet mit dem Wunsch nach Entschleunigung und Einfachheit, die eine traditionelle Rollenverteilung scheinbar mitbringt, erklärt sich Rosi Dukek, die zu Tradwives an der Universität Wien geforscht hat, den Trend.

In den USA hätten Tradwives häufig einen christlich-fundamentalistischen Hintergrund, während Dukek im deutschsprachigen Raum eine Verbindung zwischen dem Tradwife-Trend und der rechten Szene beobachtet hat. Dabei bestehe die Gemeinsamkeit allerdings darin, dass der Kampf gegen Feminismus geführt würde. Einige Tradwives seien der Ansicht, Gleichberechtigung sei längst erreicht und es gäbe eine natürliche und gottgegebene Ordnung der Geschlechter, in der sich Frauen unterzuordnen hätten. In diesen Fällen werden dann aber nicht nur konservative Rollenbilder reproduziert, sondern auch klar antifeministische und rückständige Ansichten transportiert.  

Von Feminismus, Verabschiedung und Vorfreude

Ob der #tradwife-Trend also wirklich feministisch sein kann bleibt fraglich. Jede Person sollte die freie Wahl haben, wie sie ihr Leben gestaltet, und Care- und Hausarbeit sollten definitiv als vollwertige, anspruchsvolle Jobs gewürdigt und vergütet werden. Gleichzeitig ist die extreme Glorifizierung und Romantisierung der Unterordnung der Frau kritisch zu sehen, insbesondere dann, wenn der Content unter dem Deckmantel des Feminismus von Millionen von Menschen konsumiert wird, die sich davon beeinflussen lassen.

Dieser Artikel ist inhaltlich bereits ein kleiner Hinweis darauf, was das Thema unserer nächsten Magazin-Ausgabe sein wird. Wir haben wieder eine Bandbreite an kritischen, lustigen und nachdenklichen Beiträgen für euch. Seid also gespannt auf den Herbst 2024, wenn die 61. Ausgabe der Leipziger Lerche erscheint!

Damit wollen wir uns verabschieden; nicht nur in die Sommerpause, sondern auch als Redaktion. Ab dem kommenden Semester werden unsere Nachfolger:innen übernehmen und euch hier wöchentlich mit Texten und zweimal jährlich mit einer neuen Lerche-Ausgabe versorgen, da wir ins Praxissemester starten. Wir sind gespannt auf die kommenden Ausgaben und Blogartikel und freuen uns auf eure Ideen!

Autorin: Mira Krevet
Bild: freepik.com

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