Von Ossis und Wessis

Die Gen Z und das geteilte Deutschland

Ein DDR-Witz geht so: „Warum ist die Banane krumm? – Weil sie 40 Jahre lang einen Bogen um die DDR machen musste“. Bananen sind heute DAS Symbol für den Mangel an vielen Dingen, der in der Deutschen Demokratischen Republik herrschte, ob das nun andere Südfrüchte wie Mangos oder Pfirsiche betraf, gute Schokolade oder bestimmte Kleidungsstücke. Die Generation Z, geboren zwischen 1997 und 2012, auch Gen Z genannt, hat die DDR nicht mehr erlebt; kennt sie nur aus Erzählungen von Eltern und Großeltern.

So habe ich schon einige Male die Geschichten über die Westpakete gehört, die meine Eltern hin und wieder von der Verwandtschaft im Westen bekamen. Darin fand man Bounty oder Raider, Kaffee, Bettwäsche und – das war wohl das Beste – meistens auch Kleidung. Cordhosen, Jeansjacken, BH’s, das sind alles Dinge, die ich heute für selbstverständlich halte, die aber für eine ganze Generation ein absolutes Highlight im DDR-Alltag darstellten.

Fragt man einen ehemaligen DDR-Bürger, was er am Abend des 9. November ‘89 gemacht hat, so wird er die Frage mit Sicherheit beantworten können. Die geschichtsträchtige Pressekonferenz des Zentralkomitees der SED, der Zettel, den Günther Schabowski in der Hand hielt und die Worte „sofort, unverzüglich“, die einen ungeheuren Ansturm auf sämtliche Grenzübergänge in Berlin zur Folge hatten.

Wochen zuvor, am 30. September ‘89, gab es bereits einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Deutschen Einheit. Hans-Dietrich Genscher
steht auf dem Balkon der westdeutschen Botschaft in Prag, vor tausenden DDR-Bürger*innen, die auf dem Gelände Zuflucht suchten, und verkündet die Ausreisegenehmigung. Es sind Aufnahmen, die unter die Haut gehen.

Hüben und drüben, wir hier und die da

Ich kenne die Geschichten über das heimliche Westfernsehen und die Bückware, die man nur durch gute persönliche Beziehungen bekommen konnte. Ich weiß über die Machenschaften der Stasi Bescheid und habe die Serie Weissensee gesehen. Die DDR ist nun seit über 30 Jahren buchstäblich Geschichte, doch inwiefern
spielt die ehemalige Teilung Deutschlands noch eine Rolle in meinem Leben? Und wie „vereint“ ist Deutschland wirklich?

Trotz einer Wiedervereinigung, die schon mehrere Jahrzehnte zurückliegt, sind sowohl Ost- als auch Westdeutschland immer noch mit unzähligen Klischees behaftet. Im Osten baden alle nackt, abends gibt es hier „Stulle mit Brot“ und die Rate der Rechtsextremen ist hoch. Im Westen hingegen sind alle arrogant und
eingebildet, so richtige „Wessis“ halt, berufstätige Frauen waren lange nicht hoch angesehen und alle Kinder werden streng religiös erzogen.

Tatsächlich lassen sich demografisch und politisch immer noch signifikante Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen feststellen. Der wohl offensichtlichste – die Lohnungleichheit, welche auf die jeweiligen Unternehmensstrukturen in Ost und West zurückzuführen ist. Gleichzeitig hat man sich aber auch in einigen Lebensbereichen angenähert, das zeigt eine Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Beispielsweise bekommen Frauen in Ost- und Westdeutschland gleich viele Kinder und auch das Konsumverhalten hat sich weitestgehend angeglichen.

Die Mauer in den Köpfen

Tatsächlich werden bestimmte Klischees – ob sie nun wahr sind oder nicht – erst greifbar, wenn man mit „den Anderen“ in Berührung kommt. Historiker gehen davon aus, dass bestimmte Klischees oder Zuschreibungen wie bspw. „Ossi“ und „Wessi“ durch Stigmatisierungen entstanden sind, die von der jeweiligen Gegenseite ausgingen. So haben sich viele Ostdeutsche nie wirklich als solche identifiziert, bis sie in Kontakt mit westdeutschen Mitbürger*innen kamen und gewissermaßen zu „Ossis“ gemacht wurden und auch andersherum. So entstand auch die wenig schmeichelhafte Bezeichnung „Besserwessi“. Auch das Stigma der „Neuen“ bzw. „Alten“ Bundesländer zeigt die vermeintlich weiterhin bestehende innerdeutsche Grenze, auch wenn sie nur noch in den Köpfen der Bevölkerung existiert.

Die Identität der Gen Z

Als ich geboren wurde, lag der Mauerfall schon zehn Jahre zurück. Trotzdem habe ich als gebürtige Ostdeutsche das Gefühl, dass die DDR auch ein Teil meiner Geschichte ist. Obwohl meine Eltern schon immer sehr kosmopolitisch waren und wir nie am FKK-Strand baden gegangen sind, kam mir „der Westen“ immer
etwas fremd vor, was wohl auf das Wissen über die innerdeutsche Grenze und die damit verbundene vergangene Lebensrealität meiner Eltern und Großeltern zurückzuführen ist. Als ich anfing zu studieren, war mir klar: „Bloß nicht nach Köln, Frankfurt oder Stuttgart!“, lieber wollte ich nach Berlin, Jena oder einfach hier in Leipzig bleiben; denn hier ist meine Heimat. Ostdeutschland, wie es heute ist, ist meine Heimat. Wie es früher war, kenne ich nur aus Erzählungen. Doch eins ist klar: Wenn es Zeitmaschinen gäbe, dann würde ich zum Abend des 9. November ‘89 reisen.

Autorin: Nikola Kraa
Bildquelle: pexels

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe unseres Magazins, hier kannst du noch mehr lesen.

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