Winterblues oder Depression? Was du über saisonale Verstimmungen wissen solltest

Die Tage werden kürzer, das Licht wird weniger und mit diesem kommt ein Phänomen, was nicht wenige Menschen betrifft. Rund 800.000 Personen in Deutschland leiden an regelmäßigen depressiven Phasen im Herbst und Winter. Genannt wird diese Erscheinung die „Herbst- und Winterblues“. Kritisch wird es dann, wenn diese Phasen zu einer ernsthaften Stufe der Depression werden – eine saisonal abhängige Depression.

Psychologische und biologische Ursachen

Den Ursachen kann man Lichtmangel als einen spezifischen Kernfaktor zuordnen. Das Defizit führt zu vermehrter Ausschüttung des Schlafhormones Melatonin und dem Abfall von unserem Glückshormon Serotonin. Dieses hormonelle Ungleichgewicht sorgt meist für Müdigkeit und einem Gefühl von Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit. Zu dieser Ungleichheit kann auch ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus kommen. Das Stimmungstief wird hier durch zu viel oder zu unregelmäßigen Schlaf unterstützt. Auch ein Vitamin D-Mangel wird als Auslöser diskutiert. Neben belastenden Lebensumständen kann auch das dunkle Wetter schnell zu einem persönlichen Rückzug führen. Soziale Faktoren spielen hier dadurch auch eine nicht unbeträchtliche Rolle, denn Isolation führt ebenfalls zu einer Verschlimmerung der Symptome. Personen mit regulierten Hobbies, Partnerschaften und Berufssinn bewältigen die dunkle Zeit meist
besser.

Symptome und Verhaltensmuster

Für ein Winterblues oder eine saisonal abhängige Depression kann es verschiedene Symptome geben. Häufig sind hier Schlafstörungen, vermehrter Appetit und Gewichtszunahme, als auch bestimmte Stimmungsmuster. Eine hier auftretende Hypersomnie wird als ein ausgeprägtes Schlafbedürfnis bezeichnet. Betroffene liegen lange im Bett und fühlen sich tagsüber erschöpft. Dazu kommt eine starke Antriebslosigkeit und das Bedürfnis, immer zu schlafen. Es folgen Heißhungerattacken und Appetit auf Speisen mit vielen Kohlenhydraten wie Brot, Nudeln oder Reis. Auch nach Nahrung mit viel Zucker wird gestrebt. Eine Folge ist Gewichtszunahme.

Dieses Symptom steht im Gegensatz zur klassischen Depression, wo meist eher ein Appetitverlust der Regelfall ist. Die Kombination aus exzessivem Essen und Müdigkeit fördert den sozialen Rückzug und verstärkt oft das Stimmungstief. Betroffene sind häufig niedergeschlagen, fühlen sich innerlich leer und haben wenig Freude an sonst gerne ausgeführten Aktivitäten. Auch Stimmungsschwankungen zwischen Traurigkeit und Gereiztheit sind typisch. Infolge der Erschöpfung ziehen sich viele aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Hobbies und soziale Kontakte werden vernachlässigt.

Winterblues vs. saisonal abhängige Depression

Beide Situationen sind wichtig zu unterscheiden. Winterblues sind leichte, vorübergehende Verstimmungen im Herbst und Winter. Etwa 20 bis 25 Prozent der Menschen erleben diese gelegentlich. Die Symptome sind milder. Des Weiteren ist die Phase wetter- oder tageszeitenabhängig und dauern meist nur wenige Tage bis etwa zwei Wochen. Eine ärztliche Behandlung ist in der Regel nicht notwendig.

Eine SAD ist eine ernsthafte depressive Erkrankung mit einem saisonalen Muster. Das Klassifikationssystem für psychische Erkrankungen „ICD-10/DSM-5“ definiert die Situation einer SAD, wenn mindestens zwei aufeinanderfolgende Jahre depressive Episoden bei der betroffenen Person auftreten und im Frühling wieder komplett abklingen. Sie erfüllt Kriterien einer durchschnittlichen Depression, wie anhaltende Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit und Antriebslosigkeit. Auch eine saisonal abhängige Depression wird durch zu wenig Licht ausgelöst. Doch sind es in Deutschland nur schätzungsweise ein bis zwei Prozent der Bevölkerung, die daran leiden. Die typischen Symptome unterscheiden sich von einer ganzjährigen Depression durch Appetit und Schlafverhalten. Während man in einer durchgehenden Depression oft mit Appetitverlust und Schlafstörungen zu tun hat, sind die Symptome der SAD die gleichen wie bei Winterblues.

Bewältigungs- und Präventionsstrategien

Bei saisonalen Verstimmungen empfehlen Psychologen und Ärzte besonders verhaltensorientierte Maßnahmen. Wichtig zu beachten ist ein stabiler Tagesablauf. Regelmäßige Schlafens- und Aufstehzeiten stabilisieren den zirkadianen Rhythmus. Empfohlen wird hier, wenn möglich, an jedem Tag zur gleichen Uhrzeit aufzustehen und im Anschluss etwas ins Tageslicht zu gehen. Auch durchgehende Essens- und Pausenzeiten helfen dabei, Schlaf- und Konzentrationsprobleme zu bewältigen.

Fundamental ist auch die Bewegung an der frischen Luft. Eine regelmäßige körperliche Aktivität erhöht die Ausschüttung von Endorphinen und Serotonin, welche eine euphorisierende Wirkung auf uns haben. Das hebt die Stimmung und kräftigt das Herz-Kreislauf-System. Schon 30 bis 60 Minuten Sport oder zügiges Spazieren im Tageslicht können die Symptome verringern. Hier wird besonders zum Morgen oder Mittag geraten. Fühlt sich die betroffene Person nicht in der Lage dazu, so zählt doch jeder Schritt. Auch eine ausgewogene Ernährung sollte gewährleistet werden. Hier brauchen wir frische Lebensmittel, die uns Vitamine, besonders Vitamin C und D, Mineralstoffe wie Zink und Magnesium und Ballaststoffe geben. Warme Mahlzeiten können das Wohlbefinden zusätzlich fördern. Wie am Anfang des Artikels schon erwähnt, sind auch soziale Kontakte unerlässlich.

Der Austausch mit Freunden, Familie oder Kollegen wirkt effektiv gegen Isolation. Gemeinsame Aktivitäten geben Halt und lenken von negativen Gedanken ab. Zudem wird das Wohlbefinden gesteigert. Versucht man die Phase mit weiteren kleineren, nicht zu unterschätzenden Aktivitäten zu bewältigen, so kommen auch die Themen Achtsamkeit und Entspannung ins Blickfeld. Achtsamkeitsübungen wie Meditation, Yoga oder Atemtraining unterbrechen die Gedankenspirale und fördern innere Ruhe. Um bewusst für Achtsamkeit im Alltag zu sorgen, kann zum Beispiel ein Dankbarkeitstagebuch geführt werden. Hier schult man den Fokus auf das Gute im Alltag durch das Niederschreiben von positiven Ereignissen. Auch Zeit für Selbstfürsorge ist eine Bewältigungsstrategie gegen die auftretenden Symptome. Empfohlen wird hier, sich bewusst Pausen für positive Ereignisse zu verschaffen und diese zu erzeugen. Hierbei versucht man, den Fokus der betroffenen Person von negativen Gedanken abzulenken und aus Rückschlägen einen positiven Zweck zu ziehen, statt sich dafür zu kritisieren.

Bei dauerhafter Symptomatik sollte zusätzlich professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden. Das kann Sprechstunden, Psychotherapie, Lichttherapie und weitere Optionen beinhalten.

Häufigkeit und Studienergebnisse

Prävalenz: Untersuchungen schätzen, dass etwa ein bis zehn Prozent der Bevölkerung weltweit an saisonalen Depressionen erkranken. Die genaue Zahl ist abhängig vom Breitengrad des Ortes. Im Norden sind die Prozente höher durch weniger Sonnenlicht. In Deutschland wird die SAD etwa auf ein bis zwei Prozent der Bevölkerung geschätzt. Leichtere saisonale Stimmungstiefs sind dagegen wesentlich häufiger. Umfragen zufolge erlebt etwa jede vierte Person gelegentlich depressive saisonale Verstimmungen.

Geschlecht und Alter: Frauen sind drei- bis viermal öfter von depressiven Phasen betroffen als Männer. Anfälligkeiten liegen generell in Lebensphasen mit großen Umbrüchen. Auffällig viel Vulnerabilität findet man auch bei jungen Erwachsenen. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt hier bei 23 Jahren.

Verlauf: Langzeitstudien belegen die Chronizität von SAD. Mehr als 80 Prozent der Patienten mit diagnostizierter, saisonal abhängiger Depression erleben im Folgejahr erneut eine depressive Episode. Selbst fünf bis elf Jahre nach Erstdiagnose bleibt ein großer Teil der Betroffenen, 22 bis 42 Prozent, weiterhin saisonal depressiv. Hier gibt es auch die Möglichkeit zur Entwicklung einer ganzjährigen Depression. Ein kleinerer Teil, circa 18 Prozent, wird vollständig symptomfrei.

Abschluss und persönliche Worte

Lasst uns zusammen auf unser Umfeld achten. Wenn es jemanden gibt, dem es schon seit längerer Zeit nicht gut geht, dann habe den Mut die Person darauf anzusprechen. Animiere dazu, etwas gegen die Symptome zu machen, direkt oder indirekt. Leite Gespräche in die richtige Richtung, erzähle von Dingen, die dir helfen oder biete an, Aktivitäten mit der Person zusammen zu machen. Was du dabei immer beachten solltest, sind die persönlichen Grenzen der anderen Person.

Hast du das Gefühl, dass es dir gerade emotional nicht gut geht? Vielleicht liegt es an einem Herbst- oder Winterblues. Wichtig ist der Versuch, aktiv gegen die Verstimmung zu arbeiten und bewusst Tagesabläufe zu planen. Jeder Versuch, gegen die dunkle Wolke über dem Kopf zu kämpfen, kann ausschlaggebend sein. Hast du das Gefühl, du hast keine Kraft, um dich eine Stunde aktiv zu bewegen, dann versuch es für eine kleinere Zeiteinheit. Sogar fünf Minuten können helfen. Ist
selbst das zu viel, dann such dir eine Aufgabe, die du in deinem Bett oder auf dem Sofa machen kannst.

Wenn Symptome jedoch über eine längere Zeit anhalten, so solltest du darüber mit einer Vertrauensperson sprechen. Hilfe suchen ist in Ordnung, bekommen kann man diese an verschiedenen Anlaufstellen wie dem Hausarzt, Therapiestellen, Portale oder telefonische Hilfestellen.

Hilfestellen

Deutsche Depressionshilfe bietet Info-Telefon, Selbsttests, Aufklärung und Hilfe-/Kliniksuche: online: https:/www.deutsche-depressionshilfe.de, telefonisch: 0800 / 33 44 533 (Mo, Di, Do: 13:00 – 17:00 Uhr, Mi, Fr: 08:30 – 12:30 Uhr)

Telefonseelsorge: telefonisch: 116 123 oder online: https://online.telefonseelsorge.de (Mail oder Chat, auch für andere Krisen)

Krisenchat, für Personen unter 25: online: https://www.krisenchat.de (auch für andere Krisen)

B2-Onlineberatung, für Personen bis zu 25: online: https://www.b2-onlineberatung.de (Mail, Chat oder Face to Face, auch für andere Krisen)

Autorin: Emma Zoé Bähr
Bild: pixabay

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