Wir sitzen in der Pause zusammen und unterhalten uns über den Absturz am Wochenende, die anstehende Fakultätsfeier und darüber, dass diese Zicke von Mitbewohnerin schon wieder deine verdammten Vollkornspaghetti gegessen und sich dann auch noch beschwert hat, dass sie die Normalen viel lieber mag. Es werden Partys geplant, Serien evaluiert und über Profs diskutiert. Doch egal wie gut das Gespräch ist, egal wie entspannt alle sind – letztendlich kommen wir immer wieder auf ein Thema zurück. Stress. Das unmöglich zu schaffende Pensum an abzugebenden Artikeln, die anstehenden Klausuren und wie viel wir schon wieder in den nächsten Tagen zu tun haben. Die WG muss eigentlich geputzt werden, einkaufen war auch lange keiner mehr und man müsste unbedingt mit der Hausarbeit anfangen, aber es ist ja immer so viel zu tun. Und ich meckere mit, wie viel ich noch machen muss, dabei sitze ich Zuhause und schaue mir schon wieder fünf Folgen „How I met your mother“ an, von denen ich drei schon mindestens zweimal gesehen habe.
In der Stadt laufen gehetzte Menschen herum, die ihre Umgebung nicht wahrzunehmen scheinen und sich dabei in ihren Problemen verstricken und verrennen. Da kann man ja nur auf die Fresse fliegen. Verzeihung! Und auch wenn sich die Familie mal wieder sieht, kommt bei den „Großen“ das Gespräch über kurz oder lang auf die Arbeitszeiten, dass man die Kinder dauernd zum Fußball und zum Klavier fahren muss und dass das letzte freie Wochenende wieder ewig her ist.
Warum ist das so? Warum breiten wir diesen ganzen Stress (ob er nun real ist oder nicht) vor unseren Mitmenschen aus und beschreiben lang und breit unsere Qualen? Warum lassen wir den Stress überhaupt erst so eine wichtige Rolle in unserem Leben einnehmen? Ganz einfach: Stress ist in unserer heutigen Gesellschaft zu einem Statussymbol geworden. Alle die jetzt nur ein großes Fragezeichen sehen und sich fragen, ob die Autorin dieses Artikels noch alle Tassen im Schrank hat – lasst es mich kurz erklären.
Zunächst ist Stress ein Zeichen dafür, dass man viel arbeiten muss. Dass man einen wichtigen Job hat, wichtige Aufgaben zu erledigen, sprich: Verantwortung und Erfolg im Beruf. Diesen will man den Mitmenschen natürlich auf subtile Art und Weise vorzeigen. Nicht mehr: „Mein Haus. Mein Auto. Mein Boot.“ Heutzutage heißt es das: „Meine Termine. Meine Deadlines. Meine Nackenverspannung.“ Denn Karriere zu machen wird in der heutigen Gesellschaft oft mit Glück verwechselt. Daher gilt Stress als etwas Erstrebenswertes das für Erfolg steht und deshalb gründlich diskutiert werden muss. Doch genau an dieser Stelle sollten wir umdenken. Mag sein, dass es uns wichtig und richtig erscheint ein wenig zu jammern und sich bei seinen Mitmenschen über die vielen unfassbar wichtigen Projekte zu beklagen, die man noch bearbeiten muss. Doch die Wahrheit ist, dass wir uns damit nur selber herunterziehen. Das Auseinandersetzen mit den eigenen Deadlines und Terminen sorgt dafür, dass wir gar nicht mehr im Hier und Jetzt leben und die Welt um uns herum nicht mehr wahrnehmen oder zu schätzen wissen.
Vergessen wir alle mal die Zukunft und die vielen verplanten Zeitfenster in der nächsten Woche und genießen einfach mal den Moment. Du lebst gerade jetzt – nicht morgen, nicht an den nächsten fünf verplanten Wochenenden, jetzt! – und du solltest alles aus diesem einen Moment herausholen. Man muss sich selbst bewusstmachen, dass Erfolg im Berufsleben nicht mit Glück zu verwechseln ist. Stress zeugt nicht von einem erfüllten Leben, sondern von der Unfähigkeit den Moment zu nutzen und zu genießen. Und selbst wenn man beruflich erfolgreich ist, darf man niemals vergessen, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Denn ganz egal wie voll dein Leben ist, ganz egal wie gefüllt dein Terminkalender ist: ein wirklich erfülltes Leben hat man dann, wenn man den ganzn Stress mal vergisst und sich auf den Moment einlässt.
Carpe diem!
Autorin: Pauline Braune
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