‚Good vibes only‘

Wenn der Optimismus überhandnimmt

Als überzeugte Realistin mit einem kleinen Hang zum Pessimismus, habe ich schon immer Leute bewundert, die auch in schlechten Zeiten ihren Optimismus nicht verloren haben. Dass das auch negative Auswirkungen haben kann, war mir nie so richtig bewusst, bis ich das erste Mal von toxischer Positivität gelesen habe.

Was ist das?

Eine positive Grundeinstellung ist per se natürlich nichts schlechtes. Optimist:innen leiden weniger an psychischen Krankheiten wie Depressionen oder Angststörungen und leben sogar nachweislich länger. Wenn jedoch alle negativen Emotionen (vor allem Trauer) unterdrückt werden und schlechte Erfahrungen mit Sätzen wie ‚Ist doch alles gar nicht so schlimm‘ abgetan werden, spricht man von toxischer Positivität.

Betroffene haben oft Angst davor negative Gefühle zuzulassen und versuchen diese auch ihrem Umfeld ‚auszureden‘. Diese Unterdrückung ist gefährlich, denn alle Emotionen haben ihre Funktion und nur weil man nicht darüber spricht, sind sie eben nicht automatisch verschwunden.

‚Happiness is your choice‘

Im Zusammenhang mit toxischer Positivität ist oft davon die Rede, dass man selbst daran Schuld ist, wenn es einem nicht gut geht. Dass auch äußere Einflüsse oder gar (psychische) Krankheiten daran Schuld sein könnten, wird nicht akzeptiert. Phrasen wie: ‚Alles passiert aus einem Grund‘ sollen dem Gegenüber ein tröstliches Gefühl geben, lässt ihn oder sie aber meist unverstanden zurück.

Leider wird das Ganze durch Social Media stark befeuert. Manche Influencer:innen geben einem das Gefühl, dass ihr Leben perfekt ist und nie etwas negatives passiert.  Dabei gehören schlechte Zeiten genauso zum Leben, wie die guten.

Alles eine Frage der Formulierung

Manchmal können negative Emotionen überfordernd sein. Häufig wirft man dann mit leeren, aber im Grunde positiven Sätzen um sich, die absolut nicht hilfreich sind. Nachfolgend ein paar Beispiele und wie man es in Zukunft anders formulieren könnte.

‚Sei doch nicht so negativ!‘: ‚Es ist völlig normal in diesem Moment alles negativ zu sehen.‘

‚Einfach dranbleiben, das wird schon werden!‘: ‚Aufgeben muss nicht mit Versagen gleichgesetzt werden. Es ist in Ordnung nicht alles zu Ende zu bringen.

‚Denk einfach positiv!‘: ‚Ich habe gemerkt, dass es dir in letzter Zeit nicht gut geht. Kann ich dir eine Freude bereiten?‘

‚Es könnte schlechter sein‘: Deine Gefühle sind valide. Es kann nicht alles immer perfekt sein. Auch negative Erfahrungen gehören zum Leben‘

… und so weiter. You get the point.

Mein Plädoyer ist: Bleibt grundsätzlich positiv eingestellt, aber hört endlich auf negative Emotionen zu verleumden. Bei euch selbst und bei anderen. Ein bewusster Umgang mit all unseren Gefühlen bringt uns allen eh viel mehr.

Autorin: Anjes Dachner
Bild: privat

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