„saitenwechsel“ – Selfpublishing Erfahrungen von Andreas Köllner

Der gebürtige Leipziger Andreas Köllner veröffentlichte im Februar sein erstes Buch, den Gedichtband „saitenwechsel“. Andreas Köllner studierte Philosophie sowie deutsche Sprache und Literatur und arbeitet zurzeit in der Hausverwaltung mit Gartentätigkeiten. In Kindesjahren hatte Köllner bereits Freude daran, kleinere Reime und Gedichte zu verfassen und war 2010 Gewinner im lyrix-Wettbewerb „erklär mir, Liebe“. Sein erstes offizielles Werk enthält eine ausgewählte Sammlung von Gedichten aus circa den letzten zehn Jahren seines Lebens. In einem kurzen schriftlichen Interview erzählte er uns von seinen Erfahrungen als Selfpublisher mit dem Verlag tredition und seinen Möglichkeiten als freier Autor.

„ein Gedichtband ist ja auch immer wie eine Herzöffnung für andere“

Andreas Köllner

Das 80-seitige Werk „saitenwechsel“ wurde von Köllner dem bekannten Autor Stefan Zweig gewidmet, dessen 80. Todestag am 23.02.2022 gefeiert wurde. Zu dem bekanntesten Werk Zweigszählt Die Schachnovelle. Köllner berichtet, dass ihn bei der Widmung ein tiefes Gefühl der Verbundenheit mit Zweigseiner schriftstellerischen Seite bewog. Dieser war in jungen Jahren ein leidenschaftlicher Gedichtschreiber. Laut Köllner stehen Zweigs Gedichte oft im Hintergrund der Novelle. Mit dem Titel „saitenwechsel“ baute Köllner eine versteckte Parallele zu dessen 1901 erschienenen Werk “silberne Saiten“ ein. Zusätzlich steht die ausgewählte Seitenzahl für Köllners Buch von „80“ symbolisierend für das diesjährige Todesjahr und das Erscheinungsdatum, der 22.02.22 für den Abschiedstag Zweigs. Beides hat Köllner bewusst als Andenken gewählt. Ein weiterer versteckter Hinweis zu einer der Novellen, wurde auf der Darstellung der Coverrückseite verborgen.

Zeitnahme

Greife
in den Tag

zartardrig
fließt die Zeit
zurück
zum Pulsschlag

Nimm
die Zeiger
vom Zifferblatt
der Uhr
Nimm dir die Zeit

du brauchst sie
nicht länger

Lass
in die Zeit
den Nachklang
des Stillstandes

Köllner hat den Selfpublisher-Verlag tredition bewusst für die Veröffentlichung seines Buches gewählt. Mitunter, weil der Verlag die sogenannten Print-on-Demand-Bücher erst auf Nachfrage druckt und damit als umweltschonender gilt. Ein weiteres wichtiges Entscheidungskriterium war, dass tredition keine Vorabkosten in Form von Druckzuschusskosten, Werbegebühren oder Urheberrechte von Autoren verlangt. Er selbst konnte den Verkaufspreis auswählen und verrät uns, dass die Provision sehr stark vom Buchpreis und der Beschaffenheit des Buches abhängt. Für ihn fühlt sich der Vertrag mit dem Verlag fairer an. Er entschied sich, nach langem Überlegen, für den Taschenbuchpreis von 9,99 Euro. Das schlussendliche Kriterium, weshalb der Autor beispielsweise, im Unterschied zu dem mit ihm verwandten Schriftsteller Guntram Vesper, treditiongegenüber kleineren Verlagen schweren Herzen bevorzugte, war der Wandel im Selfpublishing und dessen Möglichkeiten. Allgemein lehnte er eine Veröffentlichung bei einem großen, typischen Verlag ab. Unter anderem, weil er davon ausging, dass sein Buch aufgrund vielzähliger Manuskriptüberflutungen in Verlagsbetrieben und seiner geringen Bekanntheit nicht angenommen werde.

Als Selfpublisher hat er freie Hand bei der Covergestaltung, Textgestaltung und Auswahl der Beschaffenheit des Buches, so auch, ob es von Erwerber:innen als Hardcover- oder als Taschenbuchausgabe gedruckt wird. Während das Titelcover von einer Kunststudentin der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig zu einem seiner Gedichte entstand, hat der Autor die Skizzen im Buch eigens gezeichnet. Die simplen und passenden Zeichnungen unterstreichen dabei die Texte. Entstanden sind sie jedoch teilweise unabhängig voneinander und sind für den Band nachträglich zusammengefügt worden. Auffallend ist, dass die einzelnen Gedichte Text für Text, für den/die Leser:in eine emotionale Reise aufbauen. Dabei sind Wortspiele und unerwartete Zeilenumbrüche, welche dem vorherigen Satz einen neuen Sinn verleihen, ein wiederkehrendes Element.

Zu Frieden

weniger: kriegen

mehr:
erhalten

„Schreiben ist / immer / zuerst auch / eine Sache für / sich“

Im Februar 2022 veröffentlichte die Leipziger Zeitung zur Freude von Köllner einen Artikel zu dem Gedichtband. Als Selfpublisher steht hinter ihm keine Marketingabteilung, die für ihn Pressetermine organisiert und dem Schriftsteller damit einen Namen macht. Das sieht er allerdings als Vorteil, da er sonst seine eigenen Kooperationen aussucht und auch eigene kleine Werbeaktionen durchführen kann, die ihm eine Herzensangelegenheit sind. Im März beispielsweise bloggte er über sein privates Instagram Profil, dass er einen Monat lang beim Kauf des Buches, 50 Prozent der Provision an die Ukrainenothilfe der Caritas spende.  

In der Zukunft ist ein zweiter Gedichtband in Planung. Wann dieser erscheinen wird, bleibt ungewissvoraussichtlich aber dieses oder nächstes Jahr. Mit dem Schritt der ersten Veröffentlichung hat Köllner für sich persönlich den Stein ins Rollen gebracht. Aktuell plant er nebenher weitere Projekte und ist gespannt, wie sich seine schriftstellerische Karriere und sein Schreibstil weiterentwickeln. Das Schreiben ist für ihn noch eine brotlose, aber leidenschaftliche Kunst.

Sein abschließender Ratschlag für Schreiber:innen mit Schreibblockade in Bezug auf sein Gedicht „Lange Weile“ lautet: „Ist Langeweile / nicht auch nur eine / Form der Ungeduld?“ Es ist niemals alles ausgeschrieben.

Autorin: Lea Reich
Bildquellen: Andreas Köllner

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